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Schwieriger Fortschritt – Wieso Errungenschaften im Bereich körperliche Selbstbestimmung heute in Gefahr sind

  • Internationale Demografiepolitik

Jahrzehntelang wurden im Bereich der reproduktiven Gesundheit massive Fortschritte erreicht. Die weltweite Müttersterblichkeitsrate und auch die Zahl der unbeabsichtigten Schwangerschaften sind beispielsweise stark gesunken.

Doch von den Verbesserungen haben nicht alle Menschen gleich profitiert. Der Weltbevölkerungsbericht aus dem Jahr 2024 zeigte, dass weiterhin erhebliche Ungleichheiten bei der Gesundheitsversorgung bestehen. Insbesondere der Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsdiensten in ländlichen Gebieten und unter benachteiligten Bevölkerungsgruppen wie Schwarzen und indigenen Frauen ist schwierig. Auch Armut spielt eine große Rolle dabei, wie gut Menschen ihre sexuellen und reproduktiven Rechte wahrnehmen können.

Und nicht zuletzt sind diese Rechte heute vor dem Hintergrund von Wahlerfolgen rechtskonservativer Parteien weltweit wieder stärker umkämpft. Anlässlich des Weltverhütungstags (26. September) und des Safe Abortion Day (28. September) beleuchten wir globale Entwicklungen im Bereich der reproduktiven Selbstbestimmung.

Zugang zu Verhütungsmitteln und Beratung oft abhängig vom Geldbeutel

In unserer aktuellen Studie „Afrikas Zukunft ist jung!“ haben wir die die Prioritäten und Bedürfnisse junger Menschen in drei Ländern in Subsahara-Afrika untersucht. In dieser Region lebt heute die größte Jugendgeneration der Welt, knapp 60 Prozent der Bevölkerung sind unter 25 Jahre alt. Gleichzeitig sind hier besonders viele junge Menschen von extremer Armut betroffen. Das kann verheerende Auswirkungen darauf haben, wie gut junge Menschen ihre sexuellen und reproduktiven Rechte umsetzen können. Die hohen Kosten von Gesundheitsdiensten und auch Verhütungsmitteln können sehr belastend sein: Essenzielle Produkte wie Kondome sind für Jugendliche oft nicht erschwinglich. Und auch wenn viele Länder zum Beispiel Beratung und Produkte rund um Familienplanung und Verhütung kostenlos bereitstellen sollen, sieht dies in der Realität häufig anders aus. Kliniken verlangen dann für Leistungen doch „Gebühren“, oder es entstehen lange Wartezeiten, was für Betroffene zu Einkommensausfällen führen kann.

Frühe ungewollte Schwangerschaften haben schwere Auswirkungen

Eine schlechte Gesundheitsversorgung und ein eingeschränkter Zugang zu Mitteln der Familienplanung kann in der Folge dazu führen, dass Mädchen ungewollt schwanger werden. Schon als Kind schwanger und möglicherweise Mutter zu werden, kann weitreichende Auswirkungen für das weitere Leben haben – für Bildungschancen, berufliche Perspektiven und die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Doch auch gesundheitlich birgt eine Schwangerschaft erhebliche Risiken für Jugendliche. Im Vergleich zu Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren sind Schwangerschaft und Geburt für Mädchen im Teenageralter mit erhöhten Gesundheitsrisiken verbunden. Zudem sind Komplikationen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt für 15- bis 19-jährige Mädchen weltweit die zweithäufigste Todesursache.

Unsichere Schwangerschaftsabbrüche immer noch eine der häufigsten Ursachen für Müttersterblichkeit

Auch im Bereich der Müttergesundheit besteht Aufholbedarf. Eine der häufigsten – und vermeidbaren – Ur­sachen für Müttersterblichkeit sind nach wie vor unsichere Schwangerschaftsabbrüche. Weltweit werden jedes Jahr über 70 Millionen Schwangerschaften mit einem Abbruch beendet. Restriktive Gesetze tragen direkt dazu bei, dass fast die Hälfte aller Abbrüche weltweit jedes Jahr unsicher ist, also nicht von geschultem Personal oder nicht unter geeigneten medizinischen Bedingungen durchgeführt wird.

Welche Auswirkungen dies hat, zeigt sich beispielsweise in Afrika: Obwohl der Zugang zu Abtreibungen in vielen Ländern gesetz­lich eingeschränkt ist, gibt es jedes Jahr insgesamt elf Millionen Schwangerschaftsab­brüche auf dem Kontinent. Davon sind knapp drei Viertel – acht Millionen – unsicher. Mehr als fünf Millionen Frauen benötigen medizinische Versorgung nach einem unsi­cheren Abbruch, doch lediglich die Hälfte von ihnen erhält die notwendige Versorgung.

Legale und sichere Schwangerschaftsabbrüche verhindern Todesfälle

Jedes Jahr sterben etwa 39.000 Menschen infolge unsicherer Abtreibungen. Diese Todesfälle und auch andere, teilweise schwerwiegende gesundheit­liche Folgen sind vermeidbar. Ein wich­tiger Schritt ist die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen – eine Erkennt­nis, die sich in dem globalen Trend zur Locke­rung von Abtreibungsgesetzen im Laufe der vergangenen 30 Jahre widerspiegelt. Allein zwischen 2019 und 2023 wurden weltweit 21 Gesetze geändert, um Schwangerschaftsab­brüche zugänglicher zu machen. Im Gegen­satz dazu haben seit 1994 nur vier Länder durch Gesetzesänderungen den Zugang zu einer legalen und sicheren Abtreibung für Schwangere erschwert: Die USA, El Salvador, Nicaragua und Polen.

In Lateinamerika hat die feministische Be­wegung in den vergangenen vier Jahren historische Erfolge gefeiert: In Argentinien, Mexiko und Kolumbien wurden Abtreibungen entkrimina­lisiert. Anfang 2024 gab es weitere posi­tive Entwicklungen in Europa, wo sich zum Beispiel in Deutschland ein parlamentarischer Ausschuss dafür ausgesprochen hat, Abtreibungen innerhalb der ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft zu legalisie­ren. Und nicht zuletzt hat Frankreich das Recht auf eine Abtreibung in der Verfas­sung des Landes verankert.

Politische Entwicklungen erschweren Fortschritte

Sexuelle und reproduktive Rechte sind keinesfalls selbstverständlich und nach wie vor hart umkämpft. Die sogenannte Anti-Gender-Bewegung, die zum Beispiel gegen das Recht auf Abtreibung und auch gegen umfassende Sexualaufklärung lobbyiert, feiert vielerorts Erfolge. Das prominenteste Beispiel dafür findet sich in den Vereinigten Staaten, wo der Oberste Gerichtshof 2022 das Recht auf Abtreibung kippte, was weltweite Auswirkungen hatte. Wie diesen Entwicklungen auf entwicklungspolitischer Ebene mit inklusiveren Konzepten begegnet werden kann, haben wir in unserem aktuellen Diskussionspapier „Gemeinsam für mehr Gerechtigkeit“ dargelegt.

Globale Ungleichheiten zu bekämpfen und Geschlechtergerechtigkeit voranzutreiben, ist nicht nur unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten für die internationale Zusammenarbeit von zentraler Bedeutung. Gleichberechtigung trägt auch dazu bei, Demokratien zu stärken und den sozialen Zusammenhalt innerhalb von Gesellschaften zu fördern – was in Zeiten des Erstarkens autokratischer Tendenzen an Gewicht gewinnt. Insbesondere sexuelle und reproduktive Rechte sind in Gefahr, wenn rechtskonservative Kräfte an Einfluss gewinnen.

 

Insbesondere Länder im Globalen Süden haben seit 1994 ihre Abtreibungsgesetze gelockert. Insgesamt haben in den letzten 30 Jahren mehr als 60 Länder ihre Gesetze, die bestimmen, unter welchen Umständen ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt ist, gelockert. Entgegen diesem Trend haben vier Länder ihre Abtreibungsgesetze verschärft: El Salvador, Nicaragua, Polen und die USA.

Ansprechpartnerin

Nele Disselkamp

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Telefon: 030 - 31 01 73 24

E-Mail schreiben: disselkamp@berlin-institut.org

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